Brief der Präsidentin

Eines der Ziele des ICCJ gemäß unseres Leitbildes, ist es "allen Formen von Vorurteilen, Intoleranz, Diskriminierung, Rassismus und dem Missbrauch von Religion für nationale und politische Vorherrschaft ..." entgegenzutreten. Viele Jahre wurde dieses Ziel weitgehend durch den Kampf gegen Antisemitismus verwirklicht. In der Tat fordert die erste These unseres Berlin-Dokumentes "Zeit zur Neuverpflichtung“, Christen dazu auf "religiöse, rassische und alle anderen Formen des Antisemitismus zu bekämpfen".

Als tief überzeugte Jüdin bin manchmal ein wenig vorsichtig damit, was ich als eine Überbetonung der Bekämpfung des Antisemitismus in der Agenda, beispielsweise einiger jüdischer Organisationen, auffasse. Aber die Phänomene des Antisemitismus und sogar des Neonazismus sind noch immer sehr stark unter uns vertreten.

Wir müssen wachsam sein, aber nicht übermäßig besorgt. Als Teil unserer Wachsamkeit, möchte ich die Aufmerksamkeit unserer Mitglieder auf das lenken, was sich in Ungarn zu entwickeln scheint. Die Gesamtbevölkerung dieses Landes umfasst über neun Millionen, davon sind etwa ein Prozent Juden. In den letzten Jahren - und, mehr noch, in den letzten Monaten – gab es eine Besorgnis erregende Zunahme der Antisemitismusrate. Vieles davon scheint mit dem Aufstieg der extremen Partei Jobbik, heute die drittgrößte Partei im ungarischen Parlament, zusammenzuhängen. "Antisemitismus ist auf dem Vormarsch in Ungarn, ebenso wie anti-semitische Sprache im öffentlichen Sprachgebrauch durch den „Jobbik-Effekt“ legitimiert wurde“, dies zeigt eine Umfrage des Soziologen András Kovács der Central European University. 

 Wenn ich Jobbik auf Wikipedia nachschlage, sehe ich dies:
In einer Nachricht, veröffentlicht von einer Gruppe, die sich die Gewerkschaft der ungarischen Polizisten bereit zum Handeln nennt, wurde angeblich folgendes gedruckt: "Angesichts unserer derzeitigen Situation, ist Antisemitismus nicht nur unser Recht, sondern die Pflicht eines jeden ungarischen Heimatfreundes; und wir müssen uns auf den bewaffneten Kampf gegen die Juden einstellen." Der Redakteur der Vereinigung, Judit Szima, ist ein Jobbik-Kandidat für die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament. (Die israelische Tageszeitung) HAARETZ unterstellt, Szima "habe nichts an dem Inhalt des Artikels zu beanstanden."

Wir beim ICCJ stehen mit unseren Mitgliedern in Ungarn in Kontakt. Ich möchte mich herzlich bei unserem Freund und Kollegen Markus Himmelbauer, dem Direktor unserer Mitgliedsorganisation in Österreich, bedanken, der immer die Situation beobachtet und uns informiert. Der Hauptzweck meines heutigen Briefes an Sie ist es sicherzustellen, dass wir alle die Entwicklungen in Ungarn verfolgen und uns auf mögliches künftiges Handeln, falls erforderlich, vorbereiten.

Gleichzeitig, wenn wir auf ansteigenden Antisemitismus achten, müssen wir auch den alarmierenden Anstieg hier in Israel von anti-christlichem und anti-muslimischem Vandalismus und Gewalt durch einige extremistische jüdische Gruppen beachten. Der ICCJ hat bereits auf eine Graffiti-Attacke auf das Kreuzkloster in Jerusalem reagiert und wird auch weiterhin die Geschehnisse hier verfolgen.

Psalm 34:14 lehrt uns "suche Frieden und jage ihm nach." Einige Juden mögen einen durchaus verständlichen Wunsch nach Rache verspüren. Aber wir würden alle gut daran tun, über den Vorschlag des walisischen Dichters des 17. Jahrhunderts George Herbert nachzudenken: "Gut zu leben ist die beste Rache."