Dialog in Sao Paulo, Brasilien

Nach zweitausend mühevollen Jahren waren die letzten fünfzig Jahre eine Zeit der Annäherung zwischen Christen und Juden. Heute pflegen wir eine Beziehung der Freundschaft und des Respekts, sagte Rabbiner Michel Schlesinger. Hass und Verachtung müssen überwunden werden. Die Arbeit geht weiter, aber wir haben große Fortschritte gemacht, fügte Kardinal Dom Odilo Scherer aus Sao Paulo hinzu.

Am Vorabend der Ankunft von Papst Franziskus in Brasilien trafen sich der Rabbiner und der Kardinal zu einem öffentlichen Dialog am Mittwoch, den 10. Juli, in Sao Paolo in Erinnerung an den 50. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils, das von Papst Johannes XXIII einberufen wurde, als der Prozess der Annäherung zwischen Juden und Katholiken begann, mit dem Ziel, unter dem neuen Pontifikat neue Ansätze zu erforschen und diesen Prozess zwischen den beiden Gemeinschaften zu intensivieren.

Was wird sich in der Kirche unter Papst Franziskus ändern? Dom Odilo sagte: Vor allem wird es eine Veränderung im persönlichen Stil geben, wobei sich in der Verwaltung der Wandel schrittweise vollziehen wird. Schlesinger erinnerte das Publikum an das gute Verhältnis des ehemaligen Kardinals Bergoglio zu der jüdischen Gemeinde in Argentinien. Da Kardinal Scherer zu den 'Papabili" gehörte, sagte Schlesinger, er habe eine Zeitlang gehofft, dass Dom Odilo gewählt würde – „ohne dass Sie Ihre Handy-Nummer ändern würden."

In unserem Dialog mit den Juden gibt es viele Gründe zum Feiern, aber auch viele Herausforderungen, sagte Dom Odilo. Wir haben ein gemeinsames geistliches Erbe und gemeinsame Belange wie Frieden und Menschenrechte. Johannes Paul II. nahm das Anliegen des Dialogs in einer beispiellosen Weise an, und Benedikt XVI trat in seine Fußstapfen, sagte er. Der Dialog klappt sehr gut auf höchster Ebene, aber innerhalb von Gemeinschaften ist noch Widerstand zu überwinden. Es ist der Unterschied zwischen uns, der den Dialog ermöglicht, sagte Dom Odilo. Johannes Paul II. hat uns aufgefordert, eine Haltung einzunehmen, die er "Reinigung des Gedächtnisses" nannte: die Demut, Fehler und Sünden zu bekennen, Vergebung zu erbitten und neue Wege zu gehen.

Der Moderator der Diskussion, Dan Stulbach, fragte die beiden Gesprächspartner auch nach der Protestwelle in Brasilien. Es war eine große Überraschung, sagte Dom Odilo. Junge Menschen haben gezeigt, dass sie in Politik interessiert sind. Ich sehe es als etwas sehr Positives, ein Erwachen des politischen Bewusstseins. In der hebräischen Bibel steht viel über Demonstrationen, bei denen das jüdische Volk von ihren Anführern geleitet wurde. Im Allgemeinen befürwortet die jüdische Tradition Demonstrationen, die eine bessere Welt anstreben, sagte Rabbi Schlesinger.

Stulbach fragte, welche Transparente der Rabbi und der Kardinal während der Demonstrationen tragen würden. Dom Odilo: "Ich weiß nicht, ob ich ein Transparent tragen würde, aber ich identifiziere mich mit den Parolen gegen Korruption und hohe Ausgaben für Stadien aber für ein besseres Gesundheits- und Bildungswesen." Schlesinger: "Gegen jegliche Art von Fanatismus, das ist die Wurzel vielen Übels. Mäßigung ist der einzige Weg."