ICCJ Jahrestagung 2017 in Bonn

Ein Bericht von Lena Reker, Mitarbeiterin beim Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) und Mitglied des Helferteams der diesjährigen ICCJ-Tagung

Reformieren, interpretieren, revidieren:
Martin Luther und 500 Jahre Tradition und Reform in Judentum und Christentum

von Lena Reker

Die internationale Tagung des International Council of Christian and Jews (ICCJ) fand dieses Jahr nach Philadelphia und Rom in Deutschland, genauer gesagt in der alten Bundeshauptstadt Bonn, statt. Teilnehmende aus der ganzen Welt, von Australien bis Kanada, waren nach Bonn gereist, um sich drei Tage intensiv mit Reformation und Tradition im Christen- und Judentum auseinanderzusetzen.
Als deutsche Mitgliedsorganisation im ICCJ war der Deutsche Koordinierungsrat schon in die Vorbereitungen involviert und auch während der Tagung waren Präsidiums- und Vorstandsmitglieder sowie Mitarbeiterinnen aus der Geschäftsstelle mit vor Ort.

Lena Reker (DKR) (rechts) mit Pfr. Friedhelm Pieper (Ev. Präsident des DKR) (links)DKR-Vertreter v.l.n.r.: Lena Reker, Dr. Christoph Münz, Dr. Abi Pitum, Dr. Bettina Kratz-Ritter, Mirjam Blumenschein, Eileen Dyck

Die Tagung begann mit einer feierlichen Eröffnungsveranstaltung in den Kammerspielen Bad Godesberg. Die Vizepräsidentin des ICCJ, Liliane Apotheker, führte gekonnt durch die Veranstaltung und interviewte die hochkarätigen Gäste, wie Rabbiner Abraham Skorka, Bischof Munib Younan, Reinhard Kardinal Marx, Präses Manfred Rekowski und Abraham Lehrer.
Reinhard Kardinal Marx wies in seinem Grußwort darauf hin, dass die Zeiten der Konfrontationstheologie zwischen Katholiken und Protestanten vorbei sei und das Reformationsjubiläum auch gemeinsam begangen werden könne. Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, lobte die Evangelische Kirche für ihre konsequente Auseinandersetzung mit Luthers Judenfeindschaft und die klare Absage an die Judenmission, warnte aber gleichzeitig vor kirchlicher Unterstützung der BDS-Kampagne. Der Oberbürgermeister von Bonn unterstrich den multireligiösen Charakter seiner Stadt und wies auf die gute Einbindung der jüdischen Gemeinde hin. Die aufgestellten Theaterkulissen eines Wohnzimmers gaben der Eröffnungsfeier eine besondere Atmosphäre. Die musikalische Umrahmung unterstrich den feierlichen Charakter mit hebräischen und arabischen Liedern. Beim anschließenden Empfang im Foyer der Kammerspiele trafen sich alte Bekannte wieder, neue Kontakte wurden geknüpft und Erwartungen an die Tagung ausgetauscht.

Der erste Tagungstagung begann mit einer Podiumsrunde, die sich mit dem Thema Tradition und Reform im Christentum in Geschichte und Gegenwart auseinandersetzte. Reinhard Kardinal Marx und Bischof Munib Younan aus Jerusalem legten jeweils die katholische und protestantische Sicht auf das Zusammenspiel von Traditionen und Reformen dar. Das Podium wurde von Oberkirchenrätin Barbara Rudolph von der Evangelischen Kirche im Rheinland, einem weiteren Kooperationspartner der Tagung, moderiert. Die zahlreichen Rückfragen an die beiden Vortragenden zeigten, dass dieses Thema viele Teilnehmenden beschäftigte. Nach einer kurzen Pause folgte dann eine Podiumsrunde, die dasselbe Thema aus jüdischer Sicht beleuchtete. Unter der Moderation des evangelischen Präsidenten des DKR, Pfarrer Friedhelm Pieper, gaben Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka und Dr. Deborah Weissman, ehemalige Präsidentin des ICCJ, ihre Statements und diskutierten mit den Teilnehmenden. Nach dem Mittagessen starte die erste Runde der Workshops, die sich u.a. mit der Konferenz von Seelisberg, jüdischen Reformbewegungen und dem Zusammenhang von Staat und Religion auseinandersetzten. Die dritte Podiumsrunde des Tages war christlich-jüdisch besetzt. Neben Prof. Micha Brumlik diskutierten Dr. Pavol Bargár aus Tschechien und Prof. Gregor Maria Hoff aus Österreich zusammen mit Moderatorin Liliane Apotheker über den Zusammenhang von religiösen Reformen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Nach einem langen ersten Konferenztag mit vielen inhalt-lichen Höhepunkten genossen viele Teilnehmende am Abend die musikalische und literarische Darbietung, die sich mit der Rolle der Frau im Judentum auseinandersetzte.

Am darauffolgenden Tag fanden zunächst eine weitere Podiumsrunde und Workshops statt, bevor am Nachmittag Ausflüge nach Bonn oder Köln auf dem Programm standen. Die Podiumsrunde mit Prof. Alexander Deeg und Rabbinerin Dalia Marx setzte sich unter dem Vorsitz von Moderator Prof. Michael Trainor mit Reform und Tradition in Liturgie und Gebet auseinander und arbeiteten heraus, welche Passagen in der jeweiligen Liturgie für die andere Religion verletzend wirken könnte und wie man damit umgehen könne. Wichtig sei es vor allem, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. Die Workshops befassten sich am zweiten Tag u.a. mit Paulus, dem Reformationsjubiläum und der Macht der Bilder. Die Ausflüge führten die Teilnehmenden nach Köln oder Bonn. In Köln bestand die Möglichkeit, an einer Stadtführung im Bus teilzunehmen, bei einem Stadtspaziergang das jüdische Köln zu erkunden oder das NS-Dokumentationszentrum zu besichtigen. Die beiden Stadtführungen in Bonn wurden von der GCJZ Bonn organisiert. Sie führten die Teilnehmenden in das Beethoven-Haus, das Regierungsviertel und die Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus. Den Abend ließen die Teilnehmenden in den jeweiligen Städten ausklingen.

(v.l.n.r.) Dr Deborah Weissman (ehem. ICCJ Präsidentin), Pfr. Friedhelm Pieper (Ev. Präsident des DKR), Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka(v.l.n.r.) Anette Adelmann (ICCJ Generalsekretärin), Präses i.R. Nikolaus Schneider, Rabbiner Shmuel Szteinhendler (ICCJ Vorstandsmitglied), Prof. Dr. Philip Cunningham (ICCJ Präsident), Francois Bensahel

Der letzte Konferenztag setzte wieder mit einer Podiumsrunde ein, diesmal zu der Zukunft des christlich-jüdischen Dialogs. Unter der Moderation von Rabbiner Shmuel Szteinhendler aus Chile diskutierten Präses i.R. Nikolaus Schneider, Prof. Philip A. Cunnigham, Präsident des ICCJ und Jean François Bensahel über den heutigen Stand der Beziehungen, mögliche Zukunftsperspektiven und neue Ansätze. Die letzte Workshopserie widmete sich u.a. den Themen Vergleich zwischen ökumenischer und christlich-jüdischer Dialog, Studieren in Israel und den Internationalen Abrahamischen Teams. In einer interaktiven Podiumsrunde diskutierten Elisabeth Harris-Sawczenko aus Großbritannien, Dr. Amineh A. Hoti aus Pakistan, Dr. Silke Lechner vom Auswärtigen Amt, Rabbiner Dr. David Sandmel aus den USA und Rabbiner Abraham Skorka aus Argentinien mit den Teilnehmenden über die Friedensverantwortung von Religionen, interreligiöse Friedensarbeit und die Rolle der Religionen bei Konfliktprävention. Den Abschluss des inhaltlichen Teils der Tagung bildete eine Podiumsrunde mit Rabbiner Andrew Steiman, Oberkirchenrätin Barbara Rudolph und Prof. Philip Cunnigham, die sich mit der Frage nach multireligiösen Feiern vor dem Hintergrund des Reformationsjubiläums auseinandersetzten. Dabei brachten sowohl die Teilnehmenden als auch die Referierenden ihre eigenen Erfahrungen mit ein.

Mit einem festlichen Abendessen auf der wunderschönen Godesburg endete eine Tagung, die von einigen Teilnehmenden als Höhepunkt in ihrer langjährigen ICCJ-Erfahrung bewertet wurde. Inhaltlich hochkarätig besetzt und in angenehmer und konzentrierter Atmosphäre wurde das komplexe Thema umfassend und aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Die Teilnehmenden reisten mit vielen neuen Erfahrungen, Eindrücken und Einsichten ab und freuen sich schon auf die Tagung 2018 in Budapest.


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