Internationale Konsultation zum Thema "Religiöser Fundamentalismus"

Der Vorstand des Internationalen Rates der Christen und Juden e.V. (ICCJ) lud Ende Januar zu einer zweitägigen Konsultation in seinen Hauptsitz im Martin-Buber-Haus Heppenheim ein.

Dem Ruf des Präsidenten Pfr. Dr. Bo Sandahl (Schweden) nach Heppenheim waren Vertreter aus der ganzen Welt und Gäste aus Europa und der Region gefolgt. Das Thema war so aktuell wie brisant: Religiöser Fundamentalismus. Dabei wurde nicht nur an den im Fokus des öffentlichen Interesses stehenden radikalisierten Terror gedacht. Nach der Präsentation persönlicher Erfahrungen aus den unterschiedlichen Herkunftsländern und Lebensbereichen der Vorstandsmitglieder waren die Teilnehmer, deren Anreise von „um die Ecke“ (Haus am Maiberg) bis „um die halbe Welt“ (Australien, Chile und Uruguay) reichte, zum Austausch ihrer Einblicke eingeladen.

  
Der ICCJ Vorstand trifft Martin Buber in HeppenheimTeilnehmer der Konsultation auf dem Balkon des Martin-Buber-Hauses in Heppenheim

In verschiedenen Impulsreferaten und Berichten wurde der religiöse Fundamentalismus der drei abrahamischen Religionen betrachtet, eine Einführung in die Definition und den Sprachgebrauch gab vorab Rabbiner Prof. Dr. Reuven Firestone (USA), u.a. Vorsitzender des IAF – International Abrahamic Forum, das der ICCJ vor einigen Jahren ins Leben gerufen hat, um den Dialog mit dem Islam zu fördern. Allen Strömungen des Fundamentalismus, unabhängig von der Mutterreligion, gemeinsam sei ein Suchen ihrer Anhänger nach Sicherheit in einer zunehmend unsicheren und verunsichernden Gegenwart. Dies resultiere oft in einer Orientierung an strikten Regeln, die nicht nur den religiösen Bereich sondern auch den Alltag der jeweiligen Gruppe bestimmen würden. Wichtig scheint ebenso die Abgrenzung, nicht nur nach außen anderen Religionen gegenüber sondern besonders zu den liberalen und weltlich-orientierten Gruppen der eigenen Religion. Fundamentalisten in Christentum und Islam kennzeichne eine unkritische Wahrnehmung und von eigenen Interessen beeinflusste Auslegung der Heiligen Schriften Koran und Bibel.

Hervorzuheben ist der Beitrag von Dr. Mehmed Senel (Universität Frankfurt a.M.), in dem es nicht nur um muslimische fundamentalistische Strömungen sondern auch um Lösungsansätze ging. Dr. Senel betonte die Bedeutung der Betreuung und Anleitung von vor allem männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die von der Öffentlichkeit relativ unbemerkt über das Internet und entsprechende Plattformen infiltriert und instrumentalisiert werden. Die Religion stehe dabei am Anfang noch nicht im Vordergrund, werde ganz allmählich eingeführt. Man versuche, den Jugendlichen ein Gefühl von Zugehörigkeit und Stärke zu vermitteln. Sie erführen in ihrer Umgebung, besonders im deutschen Schulsystem, wenig Unterstützung für ihre suchende und sich entwickelnde Persönlichkeit und kaum Anleitung zu demokratischem Denken und Handeln. So hat das Projekt „ Hessische Muslime für Demokratie und Vielfalt“ unterstützt von der hessischen Landesregierung ein besonderes Programm für junge Menschen, darunter auch traumatisierte Rückkehrer des IS, entwickelt und betreut erfolgreich junge Muslime in ihrem Lebensumfeld. Bei Mehmed Senel und seinen Mitstreitern lernen sie oft das erste Mal eigene Entscheidungen und demokratische Abstimmungen als Stärke und nicht Schwäche kennen. Wer Demokratie nicht lernt, kann sie nicht wirklich schätzen und anwenden, so Senel.

 

Es zeigte sich im Verlauf der Konsultation immer wieder, dass Dialog ein wichtiges Mittel im Umgang miteinander ist. Aber besonders der Dialog mit religiösen Fundamentalisten birgt Schwierigkeiten. So wies die ehemalige ICCJ-Präsidentin Dr. Debbie Weisman (Israel) darauf hin, dass viele dieser Gruppen auch ohne Probleme mit der Außenwelt ein religiöses Leben führen, man denke an die Amish und Huterer in den USA. Solange kein besonderer Missionseifer oder gar Agressivität anderen Gläubigen gegenüber bestünde, ließe es sich gut in ihrer Nachbarschaft leben. Wissen und Kenntnis der eigenen Religion und ein Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis und das Gefühl der Existenzbedrohung des fundamentalistischen Gesprächspartners sollten den Dialog kennzeichnen.

Mit dieser Konsultation hat der ICCJ Bubers Maxime „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ einmal mehr als Auftrag gesehen und umgesetzt. Alle Teilnehmer konnten neue Inspirationen und Kräfte in ihre täglichen Aufgaben mitnehmen.

 


Dieser Artikel ist am 3. Februar ebenfalls in der Print- und Onlineausgabe der Weinheimer Nachrichten erschienen.