Der Rat der Christen und Juden
Vor siebzig Jahren, inmitten einer der finstersten Nächte der Menschheit, kamen Erzbischof William Temple und Oberrabbiner Joseph Hertz zusammen, um eine Kerze der Hoffnung anzuzünden. Eine enorme Anzahl von Juden wurde von den Nazis ermordet und Temple war der Auffassung, dass die Christen Stellung beziehen müssten. Hertz stimmte dem zu, und damit war die erste nationale interreligiöse Organisation in Großbritannien geboren, der Rat der Christen und Juden.
Heute sehen wir die interreligiöse Arbeit als selbstverständlich an und vergessen dabei, welche Hürde in jenen Anfangstagen im Hinblick auf Vorstellungskraft und Mut genommen werden musste. In einer Zeitspanne von zweitausend Jahren war die Beziehung zwischen der Kirche und den Juden größtenteils geprägt von einer Feindseligkeit, in deren Verlauf eine ganze Reihe von Wörtern dem Vokabular menschlichen Leidens hinzugefügt werden konnte: Disputation, erzwungene Bekehrung, Inquisition, Ketzerverbrennung, Ghetto, Vertreibung und Pogrom.
Damit Juden und Christen zusammenkommen konnten, mussten beide Seiten tief verwurzelte Verhaltensmuster wie Misstrauen und Angst überwinden. Und dennoch taten sie es. Temple nutzte den BBC World Service für einen Sammelaufruf an die Ungarn Juden zu retten, wo immer sie konnten. Er hielt eine leidenschaftliche Ansprache im House of Lords im Jahre 1943 und sagte, dass die Christen vor den Schranken der Geschichte, der Menschheit und Gott stünden.
Dies war religiöse Führung von hohem Rang, und wir profitieren heute noch davon in Form von Hunderten von interreligiösen Organisationen, die nun überall in Großbritannien existieren und Freundschaften schaffen über die Grenzen des Glaubens hinaus.
Ein einfaches Beispiel: Eine Synagoge in Swansea wurde zerstört und ihr heiligstes Gut, die Tora-Rollen, entweiht. Sobald die Menschen davon hörten, kam eine örtliche Gruppe von Christen zusammen, um der jüdischen Gemeinde zu helfen, den Schaden zu beheben. Als ich die Wiedereinweihung vornahm, waren mehr als die Hälfte der Gemeinde in der Synagoge Mitglieder der örtlichen Kirchen.
Und natürlich hat sich die Arbeit über die Juden und Christen hinaus ausgeweitet. Am Tage nach dem 11. September ging einer unserer Rabbis, der verstorbene Leonard Tann, zum Imam der größten Moschee in Birmingham und sagte ihm, dass schwierige Tage auf die Muslime zukommen werden und er ihn wissen lassen möchte, dass die jüdische Gemeinde zu ihm stehen wird. Birmingham wurde ein Vorbild dafür, wie die Führer aller Glaubensrichtungen zusammengearbeitet haben, um gute Beziehungen zu fördern.
Es gibt Orte in der Welt, wo die Religion immer noch eine Konfliktquelle darstellt. In Großbritannien begegnen sich, nicht immer aber größtenteils, Religionen, die über Jahrhunderte entfremdet waren, jetzt als Freunde. Wir verdanken dies viel der Pionierarbeit des Rates der Christen und Juden, dessen Vorbild heute weiterhin inspiriert.