Dieses Jahr waren wir im schönen Aix-en-Provence. Die Konferenz war nicht nur eine der größten, die wir in den vielen zurückliegenden Jahren ausgerichtet haben, sondern auch eine der umstrittensten. Das Thema ‚ Laizität‘ rief eine ziemliche Debatte hevor. Nach der Konferenz verbrachte ich noch einige Tage mit einer Freundin in Marseille. Ich hatte Glück, dass dort gerade ein spektakuläres schönes neues Museum eröffnet wurde. Das Museum trägt den Namen „MUCEM“ und befasst sich mit den Zivilisationen Europas und des Mittelmeerraums.
Wie wir alle wissen, erfährt die Region rund um das östliche Mittelmeer eine Zeit entsetzlicher Gewalt. Auch wenn der ICCJ nicht zwingend jedes Ereignis kommentieren muss, so hoffe ich doch, dass die Verurteilung von Gewalt grundsätzlich und von interreligiöser Gewalt im Besonderen selbstverständlich ist. Ich möchte hierzu einen Auszug aus einer kürzlich erschienenen Erklärung des Elijah Interfaith Institute mit Sitz in Jerusalem zitieren:
„Angriffe auf Gotteshäuser einer anderen Religion sind nur einen Schritt entfernt von Angriffen auf das Leben der Mitglieder dieser Religion … Gotteshäuser aller Religionen sollten Orte der Heiligkeit und der Zuflucht sein, Orte jenseits gesellschaftlicher Kämpfe und Hasstiraden“.
Es ist mir zu Ohren gekommen, dass einige – sogar innerhalb der ICCJ-Familie – noch nichts gehört haben von unserem eigenen Statement zur gegenwärtigen Lage in Israel/Palästina, das wir Mitte Mai unter dem Titel "As long as you believe in a living God, you must have hope" („Solange du an einen lebendigen Gott glaubst, musst du Hoffnung haben“) herausgegeben haben. Falls Sie es noch nicht auf unserer Website gesehen haben, dann empfehle ich Ihnen, auf www.iccj.org zu gehen und es dort zu lesen.
Aber kommen wir wieder zurück auf das MUCEM, wo es viele Kunstwerke, Dokumente und Alltagsgegenstände zu den drei abrahamitischen Traditionen zu sehen gibt. Die Ausstellung zeigt, dass die Region eine zentrale Rolle spielte in der frühen Entwicklung der Landwirtschaft und des religiösen Glaubens. Eines der Exponate zeigt die drei Haupternten der Region: Weizen, Trauben und Oliven. Was nicht gezeigt wurde ist der starke Zusammenhang zwischen jener Tatsache und der Entwicklung von zwei unserer Traditionen: Judentum und Christentum. In der Bibel geht es zurück zu Deuteronomium, Kapitel 11, Vers 14: „So will ich eurem Lande Regen geben zu seiner Zeit, Frühregen und Spätregen, dass du einsammelst dein Getreide, deinen Wein und dein Öl“. Früher zündeten die Menschen Öllampen an – wir sind zu Kerzen übergegangen.
Die drei Hauptsymbole des Schabbats und analog dazu der jüdischen Feste sind Challa, Wein und Kerzen. Am Passahfest ersetzen wir Challa durch Matzen, ungesäuertes Brot – immer noch eine Art von Weizen. Neben dem Gebrauch von Kerzen und Wein benutzen viele Christen diese ebenfalls in deren Riten als Ersatz für Oblaten.
Ich mag den Gedanken, dass wir gerade dort, wo wir partikular erscheinen, zugleich „universal“ ausgerichtet sind. Eine Messe zu zelebrieren oder den Schabbat einzuhalten mag für die je eigene Tradition einzigartig sein, aber zugleich können sie auch Gelegenheiten bieten, bestimmte Gemeinsamkeiten zu erkennen und uns selbst in einem breiteren Kontext wahrzunehmen.
Am Vorabend zum jüdischen Jahr 5774 möchte ich unseren jüdischen Mitgliedern und Freunden „ein gutes Jahr“ wünschen und allen anderen ein Jahr voller Gesundheit, Glück, fruchtbarem Dialog und Frieden.