Mirjams Bericht:
Es fällt mir schwer, die Eindrücke einer ganzen Woche in Worte zu fassen. Eine Woche, die sich wie ein ganzer Monat anfühlte und doch so schnell vergangen ist. Als Teil der Vorbereitungsgruppe der YLC-Konferenz in Köln, bekam ich die Möglichkeit, an der JCM-Konferenz in Vallendar teilzunehmen. Es war die 44. Konferenz, bei der jüdische, christliche und muslimische Menschen aus aller Welt zusammenkamen, um gemeinsam zu diskutieren, zu beten, zu essen und zu feiern.
Die ersten drei Tage haben wir mit einer Meditation begonnen, die jeweils von Personen einer der drei Religionen vorbereitet wurde. Anschließend wurde von langjährigen JCM-Teilnehmer*innen ein Vortrag gehalten. So hörten wir eine jüdische, eine christliche und eine muslimische Sichtweise auf das Thema „Migration – eine neue Normalität“. Wir diskutierten in kleinen Gruppen und im Plenum. Dabei wurde uns deutlich, dass es auch innerhalb einer Religion verschiedene Sichtweisen auf ein Thema geben kann. Das Konferenz-Team hat einen sicheren Raum geschaffen, in dem auch über schwierige, oft politische Themen diskutiert und debattiert werden konnte.
In der Mitte der Woche fuhren wir gemeinsam nach Worms. Dort besuchten wir den Dom und den ältesten erhaltenen jüdischen Friedhofs Europas. Die verbliebenen drei Tage waren vor allem geprägt durch Gebete und Gottesdienste. Gemeinsam feierten wir den Dhikr, das Salat-al-Juma, Kiddush, Oneg Shabbat und Havdalah und kamen zu Shabbatgottesdiensten und einem christlichen Gottesdienst zusammen.
Für gewisse Kontinuität während der Woche sorgten die Diskussions- und Projektgruppen. Dort trafen wir uns fast täglich in kleinerem Rahmen. In der Diskussionsgruppe wurden verschiedene Themen aufgegriffen und es gab viel Raum für eigene Fragen, Gedanken und Ideen. Jede*r wählte eine von vier Projektgruppen für die ganze Woche. Ich war Teil des multikulturellen und interreligiösen Chores. Unter wundervoller Leitung einer professionellen Musikerin, konnten wir die Kraft der Musik spüren. Wir haben sehr unterschiedliche Lieder gesungen: ruhige und besinnliche Lieder aber auch Lieder, die uns zum Tanzen gebracht haben. Es war eine wunderbare Erfahrung und für mich das Highlight der Woche.
Die Jüdin, die uns in den Shabbatgottesdienst eingeführt hat, erklärte uns, dass man beim Gebet die vier Ecken des Gebetsschals, dem Tallit, in den Händen hält. Für sie symbolisiert es, dass sie alle Menschen aus allen Ecken der Erde, die sie kennt und liebt, mit in ihr Gebet einschließt. Und nach dieser Konferenz hat sie wieder viele Menschen aus aller Welt kennengelernt, die sie in Zukunft auch in ihre Gebete einschließen wird.
Auch wenn ich keinen Tallit habe, so stimmt diese Aussage auch für mich, natürlich auf etwas andere Art. In dieser Woche durfte ich viele, ganz unterschiedliche Menschen kennenlernen. Darunter waren auch Menschen, die Diskriminierung erfahren mussten und die dem wahrscheinlich auch in Zukunft ausgesetzt sein werden. Ich nehme die Begegnungen mit diesen Menschen mit auf meinen Weg. Wenn ich nun Vorurteile und Diskriminierungen gegen eine Menschengruppe zu hören bekomme, werde ich die Personen vor mir sehen, die damit getroffen werden. Ich werde die Aussagen entschiedener zurückweisen, mich gegen eine Pauschalisierung aussprechen und werde meine Erfahrungen und Begegnungen teilen und andere Menschen dazu ermutigen, nicht von „den Fremden“ zu sprechen, sondern mit ihnen. Wie Martin Buber sagte: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“
Mirjam Blumenschein ist bei der deutschen ICCJ Mitgliedsorganisation, dem "Deutschen Koordinierungsrat für jüdisch-christliche Zusammenarbeit" im Vorstand die Vertreterin der DKR Nachwuchsorganisation "Forum Junger Erwachsener" (FJE) und in der ICCJ Nachwuchsorganisation, dem "Young Leadership Council" (YLC), Mitglied im Leitungsteam.
Zusammen mit fünf weiteren Teammitgliedern aus den USA, Großbritannien, Irland und Deutschland bereitet sie zur Zeit die diesjährige YLC-Tagung vor, die im Vorfeld der ICCJ Jahrestagung (2.-5.7. in Bonn) vom 29.6.-2.7. in Köln stattfinden wird.
Weitere Informationen zur Tagung und eine online-Anmeldemöglichkeit wird der YLC in Kürze auf der ICCJ Webseite veröffentlichen.